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Im Schnee kamen nur 16 ins Ziel

Rennstart in der Nacht, frierende Rennfahrer, gebrochene Velogabeln – die Züri Metzgete kann zu ihrem 100-Jahr- Jubiläum auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken.

Hart sei die Metzgete damals gewesen, erinnert sich Peter Blattmann zurück. Der Ehrenpräsident des Radsportvereins Zürich, der die EKZ Züri Metzgete organisiert, hat die bewegte Geschichte des Rennens hautnah miterlebt. «Damals fuhr man noch auf Naturstrassen. » Stürze und Defekte seien deshalb an der Tagesordnung gewesen. «Es kam vor, dass ein Fahrer eine gebrochene Velogabel zum nächsten Schmied brachte, damit dieser sie flicke», erzählt der heute 67-Jährige, der aus einer Rennfahrerfamilie stammt, und fügt an: «Heute führt jeder Fahrer ein Ersatzvelo auf dem Dach eines Begleitfahrzeuges mit.»

04ZU03Metzgete
Allen Streckenänderungen zum Trotz:
Der Siglistorfer gehörte als «Schiedsrichterberg»
fast immer dazu. So auch 1947.

 Zu den schlechten Strassen kamen auch noch schwierige Wetterbedingungen hinzu. Denn die Züri Metzgete fand ursprünglich im Frühjahr statt. Die dramatischste Metzgete fand 1951 statt: Kurz nach dem Start hatte ein Schneegestöber eingesetzt. Die Fahrer suchten Schutz in Häusern oder in Begleitfahrzeugen. Andere enteisten ihre eingefrorenen Übersetzungswechsler in Brunnentrögen. Auf der  «Wagenbreche» entfachten die Zuschauer ein Feuer, an dem sich die frierenden Amateure aufwärmen konnten. Von 170 gestarteten Amateuren erreichten schliesslich nur 16 das Ziel.

Nach dem Rennen zum Gottesdienst

Dabei war das Traditionsrennen am Anfang ein Schönwetterrennen. Der Startschuss zur ersten Austragung der legendären Metzgete fiel am 28. Mai 1910 – drei Wochen später als geplant, weil es am ursprünglichen Datum geregnet hatte. Um 5 Uhr zogen 76 gemeldete Fahrer im Morgengrauen davon und verschwanden im Nebel. Der Start in aller Herrgottsfrühe blieb während der nächsten 50 Jahren bestehen. «Eine Zeit lang musste man selbst um 3 Uhr in der Dunkelheit losfahren, denn das Rennen musste vor Beginn des Gottesdienstes zu Ende sein», weiss Peter Blattmann. Nicht selten nahm er deshalb sein Frühstück in der Trikottasche versteckt ans Rennen mit. Später gab es eine nationale Bestimmung, dass alle Radrennen vor 12 Uhr beendet sein mussten. «Der Nachmittag blieb König Fussball vorbehalten», bemerkt der Ehrenpräsident etwas lakonisch.
Viel geändert hat sich auch in der Durchführung. Während heute 164 Streckenposten sowie unzählige Markierungen und Absperrungen den Velofahrern auf Schritt und Tritt den Weg weisen, waren die Fahrer früher verpflichtet, den Weg zu kennen. «Da war es bestimmt einfacher, eine Abkürzung zu finden», kommentiert Blattmann scherzend. Doch ein reiner Scherz ist das nicht. Während der Kriegsjahre war die Kontrolle der korrekten Streckenführung tatsächlich ein Problem. Wegen Benzinmangels konnten nur wenige Begleitfahrzeuge auf die Strecke geschickt werden. Die Rennfahrer mussten daraufhin an mehreren Orten Kontrollmarken abgeben, damit die Jury sich versichern konnte, dass die Fahrer die Strecke korrekt absolviert hatten.

Zuversichtlich in die Zukunft

Von 1917 bis 2006 konnte die Züri Metzgete ohne Unterbruch durchgeführt werden. 2007 fiel das Traditionsrennen erstmals seit 90 Jahren wegen finanzieller Probleme ins Wasser. Im Jahr darauf kehrte das bekannteste Eintagesrennen der Schweiz zu seinen Wurzeln zurück. Aus dem Weltcup-Rennen für Profis wurde wieder eine Volksmetzgete, eine Veranstaltung für den Breitensport. Am kommenden Sonntag geht die Züri Metzgete zum 96. Mal über die Bühne. Doch wie sieht die Zukunft aus?«Bis 2012 haben wir einen Vertrag mit der EKZ», erklärt OK-Präsident Michael Ausfeld. Bis dahin sei das Rennen gesichert.
Auch für die Zeit danach ist Ausfeld zuversichtlich: «Nach den Dopingskandalen findet der Radsport nun wieder aus seinem Tief heraus. Die Sponsoren trauen sich wieder zu investieren.» Auf jeden Fall soll das Hauptaugenmerk weiterhin auf dem Breitensport liegen. Einziges Ziel sei es, die Teilnehmerzahl zu steigern. Die obere Grenze liege bei 2000 Teilnehmern. «Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg», meint Ausfeld.

Caroline Bossert
Originalartikel als PDF