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Gümmeler aus Herzschwäche

Der Arzt riet ihm, etwas Sport zu treiben. Roger Cattin verschrieb sein Leben gleich ganz dem Radsport. Durch die halbe Welt ist er bereits geradelt. Nun sorgt er an der «Züri Metzgete» für Sicherheit.

24 7 ZU
«Selbst Gartenzäune müssen abgesichert werden»,
erklärt Roger Cattin. Der Bopplisser ist an der «Züri
Metzgete» als Chef der Streckensicherung unterwegs.

Bis zu seinem 50. Lebensjahr lebte Roger Cattin treu nach dem Motto «Sport ist Mord». Dies änderte sich schlagartig mit einem Arztbesuch. «Ich litt damals an einer Herzschwäche. Der Arzt meinte, wenn ich nicht bald etwas für meine Gesundheit tun würde, könne er für nichts garantieren.» Der Bopplisser schaute sich in der Welt der Sportarten um und entschied sich fürs Velofahren. Die flexiblen Trainingsbedingungen kamen dem umtriebigen Unternehmer, der eine Firma für Haushaltgeräte besitzt, wie gerufen. «Der Zufall wollte es, dass ich gleich danach mit meinem Bruder an einer Velo-Trainingswoche auf Mallorca teilnehmen konnte.»
Begeistert vom Velosport kehrte Cattin in die Schweiz zurück, gründete die Velofahrgruppe Quo Vadis und meldete sich gleich für die Volksfernfahrt Zürich– Strassburg an. 260 Kilometer an einem Tag. «Es war ein unglaublich heisser Tag. Der Pneu klebte richtig am Asphalt», erinnert sich der heute 67-Jährige. Zehn Liter Wasser habe er getrunken. «Kurz vor Basel stürzte ich. Das Blut strömte mir nur so die Beine hinab. Es war ein unglaublicher Murks.» Doch abgeschreckt hat es ihn nicht, ganz im Gegenteil. «Ich  fiel am Abend total erschöpft ins Bett. Doch ich war noch nie so zufrieden.» Dies war die Geburtsstunde einer leidenschaftlichen «Velogümmeler»-Ära.

Mit dem Drahtesel durch die Welt

Unweigerlich folgten bald darauf weitere Velotouren auf der ganzen Welt. In Thailand von Bangkok zum Golden Triangle, in Mittelamerika von Mexico City bis nach Acapulco und zurück und in Südafrika von Port Elizabeth bis nach Kapstadt. Bis zu 6000 Kilometer bestritt er pro Jahr im Sattel. Heute kommt er auf etwa die Hälfte. Grund dafür sei seine Freundin. «Leider fährt sie nur Mountainbike und nicht Rennvelo», erzählt er lachend.

Vom Fan zum Sicherheitschef

 Nebenher half Cattin bei mehreren Amateur-Strassenrennen aus oder fungierte auch als OK-Präsident. «Als ich vor drei Jahren erfuhr, dass die ‹Züri- Metzgete› wieder ins Unterland kommt und an meiner Haustür vorbeiführt, wollte ich sofort mithelfen.» Mit dem bekanntesten Eintagesradrennen der Schweiz verbindet der Bopplisser viele Erinnerungen. Cattin gerät ins Schwärmen: «Mein Vater nahm uns Buben immer an die ‹Metzgete› mit. Wir standen auf dem Weininger, und er reichte den Radrennstars wie Fritz Schär Wasser – oder manchmal auch Bier.» Cattin rief an und erhielt gleich den Posten als Chef der Streckensicherung.
 Am 5. September wird Roger Cattin bereits auf der Piste sein, wenn manche Gümmeler noch schlafen. Sechsmal wird er an dem Tag mit dem Auto die Runde abfahren und überprüfen, ob jeder einzelne Streckenposten ausreichend instruiert, verpflegt und wach ist. «An dem Tag herrscht so eine Hektik, da liegen die Nerven schon manchmal blank», gesteht er. Doch die Hauptarbeit finde im Vorfeld statt. Bereits Wochen im Voraus besichtigt er die Strecke, verzeichnet alle neuen Baustellen, Einfahrten, Kreisel, Verkehrsinseln, Fussgängerstreifen und Kurven und legt fest, wo wie viele Männer am Renntag für Sicherheit sorgen werden.

Baustellen bereiten Bauchschmerz

Zurzeit bereiten Cattin zwei Baustellen Sorgen. Zum einen die Brückensanierung in Zweidlen, die an einer ohnehin gefährlichen Kreuzung liege. Zum anderen die Belagsarbeiten am Regensberg. «Mal schauen, ob die rechtzeitig fertig werden», sagt er stirnrunzelnd. Für alle Fälle hat der Mann, der nichts dem Zufall überlässt, schon einen Plan B ausgearbeitet: eine Umfahrung der Baustelle. Doch: «Schlecht ist, dass die Gümmeler nicht auf der Originalstrecke trainieren können. Ich hoffe, das wirkt sich nicht negativ auf die Teilnehmerzahl aus», sorgt sich der Streckenchef.

Caroline Bossert
Originalartikel als PDF